AUSHARMONISIERUNGSREGELN FÜR KIRCHENTONALE LIEDER

Für kirchentonale Lieder (weltliche wie geistliche) des Mittelalters sind hier wichtige Regeln aufgeführt, die nebenbei auch den Unterschied zum dur/moll-funktionalen Volkslied und die Nähe zur Ausharmoniserung von Popsongs deutlich machen.

Prof: B. Frank

 

Wichtige

AUSHARMONISIERUNGSREGELN FÜR KIRCHENTONALE LIEDER

–          Ton für Ton Harmonisierung

–          Jeder Akkord kann nach oder vor jedem Akkord stehen (spätere Regeln wie z. B. Verbot der Akkordfolge Am-C oder G-F in der Tonart C-Dur entfallen)

–          Somit können auch die Schlusskadenzen beliebig sein, müssen also nicht wie später üblich V-I oder IV-I lauten (können aber!)

–          Schlussakkorde: oft ohne Terz; in Molltonarten oft mit Variant-Durschluss

–          Im Spätmittelalter wurde die Leittönigkeit (Diesis) oft über den 4-3 Vorhalt eingeführt

–          Erlaubt sind alle dreistimmigen leitereigenen Akkorde, wobei der verminderte Dreiklang meist als Sextakkord mit Terzverdoppelung gespielt wird (wegen Tritonus)

–          Verboten sind also Dominantseptakkorde. Beachte: der Akkord auf der VII. Stufe in Dur entspricht dem späteren verkürzten Dominantseptakkord mit Quint im Bass.

–          Verboten sind auch Zwischendominanten

–          Beachte die üblichen Stimmführungsregeln

–          Die einfachste Ausharmonisierungsform verwendet nur Grundstellungsakkorde; danach können auch Sextakkorde gespielt werden. Spezialform ist die Fauxbordunkette: stufenweises Verschieben von leitereigenen dreistimmigen Sextakkorden.

–          Im Bass sind (außer bei Tanzliedern) meist Sekund und Terzschritte vorherrschend, weniger die „Paukenbässe“ (Quint- oder Quartsprünge).

–          Oft stehen die verschiedenen Phrasen eines Liedes in verschiedenen Modi.

–          Beachte auch die charakteristischen Intervalle der Kirchentonarten und die entsprechende Auswirkung auf die Harmonisation:

  • dorische Sext (z. B. die Akkordfolge Dm-G)
  • phrygische Sekund (vgl. den Bassschritt in der typischen phrygischen Schlusswendung: Dm/F-E)
  • lydische Quart (z. B. F-B°/D; beachte: die lydische Quart wird oft zu Bb erniedrigt)
  • mixolydische Sept (z. B. Schlusswendung: F-G oder F/A-G).

 

Literaturtipp

  1. (Grundsätzliches, Schlusswendungen, Tonleiterausharmonisierungen, Modulationsregeln und Beispiellieder): Dachs-Söhner: „Harmonielehre“, Zweiter Teil, S. 99-112 (Kösel Verlag, München
  2. Bernd Frank: Klavierimprovisation „Liedbegleitung vom Choral bis zum Popsong“, Band 1(Lied und Choral von der Antike bis zur Gegenwart, Kap. Mittelalter!)

 

 

 

Veröffentlicht von

Prof. Frank

Seit 1983 Professor für Schulpraktisches/Unterrichtspraktisches Klavierspiel, Klavierimprovisation und Jazz (z.B. Jazzpiano, Chor) an Hochschule für Musik in Mainz